Strukturelle Unterschiede
Die Organisation von Code unterscheidet sich in RPG und Java grundlegend. RPG folgt einem prozeduralen Aufbau, der auf unabhängigen Source-Membern basiert, während Java auf einer hierarchischen, objektorientierten Struktur mit Paketen und Klassen aufbaut.
Organisation des Codes
RPG:
In RPG werden Source-Member in sogenannten Source-Dateien organisiert. Jedes Member ist eine eigenständige Einheit und kann Prozeduren, Subroutinen oder Datenstrukturen enthalten:
- Prozeduren: Logische Operationen werden in klar abgegrenzten Blöcken implementiert.
- Subroutinen: Kleinere, wiederverwendbare Codeabschnitte innerhalb eines Members.
- Datenstrukturen und Variablen: Globale oder lokale Datenfelder, die innerhalb des Members genutzt werden.
Ein Beispiel für eine typische RPG-Organisation:
– Member: DEPOSIT (Prozedur für Einzahlungen)
– Member: WITHDRAW (Prozedur für Abhebungen)
– Member: BALANCE (Variable für Kontostand)
Java:
Java organisiert Code in einer klaren Hierarchie aus Paketen, Klassen und Methoden. Diese Struktur fördert Modularität und Wiederverwendbarkeit:
- Pakete: Gruppieren verwandte Klassen (z. B.
com.bank
). - Klassen: Definieren Daten und Verhalten für ein spezifisches Konzept (z. B.
BankAccount
). - Methoden: Enthalten die Logik für spezifische Operationen (z. B.
deposit()
).
Ein Beispiel für eine typische Java-Organisation:
– Klasse: BankAccount
– Feld: balance (Kontostand)
– Methode: deposit (Einzahlungen)
– Methode: withdraw (Abhebungen)
Aufbau eines Programms
RPG:
- Kontrollspezifikationen
- Dateispezifikationen
- Datenbeschreibungen
- Prozeduren
Java:
- Paket- und Import-Anweisungen
- Klassen- und Schnittstellendefinitionen
- Felder und Konstruktoren
- Methoden
Vergleich der Ansätze zur Fehlerbehandlung
RPG: In RPG werden Fehler direkt in der Prozedur behandelt, in der sie auftreten. Dies erfolgt meist durch Kontrollstrukturen wie MONITOR
und ON-ERROR
. Sobald ein Fehler erkannt wird, kann die Prozedur darauf reagieren, ohne dass der Fehler explizit weitergegeben werden muss.
Dieser Ansatz hat Vor- und Nachteile:
- Vorteile:
- Die Fehlerbehandlung ist lokal und einfach. Jede Prozedur ist dafür verantwortlich, ihre eigenen Fehler zu handhaben.
- Die Implementierung ist übersichtlich, da keine zusätzlichen Mechanismen wie das Weiterreichen von Fehlern erforderlich sind.
- Nachteile:
- Die Fehlerbehandlung bleibt auf die jeweilige Prozedur beschränkt. Das bedeutet, dass Fehler nicht von einer übergeordneten Prozedur oder einem anderen Kontext behandelt werden können.
- Es erschwert die Wiederverwendbarkeit und Modularität, da jede Prozedur ihre eigene Fehlerlogik implementieren muss.
Ein typisches Beispiel:
Hier wird der Fehler direkt in der gleichen Prozedur abgefangen, in der er auftritt. Es gibt keine Möglichkeit, diesen Fehler an einen anderen Teil des Programms weiterzugeben.
Fehlerbehandlung:
Java verwendet ein flexibles und strukturiertes Exception-Handling-System. Fehler werden in Form von Exceptions geworfen (throw
) und können entlang der Aufrufkette weitergereicht werden – bis hin zu einer zentralen Fehlerbehandlung. Das ermöglicht eine saubere, modulare Trennung von Fachlogik und Fehlerreaktion.
In RPG hingegen erfolgt die Fehlersteuerung häufig über Rückgabewerte, globale Fehlerindikatoren oder Statuscodes. Auch wenn moderne Ansätze auf IBM i hier ebenfalls zu mehr Struktur führen können, bleibt die Fehlerbehandlung oft näher an der prozeduralen Logik.
Ein Beispiel für die Weitergabe von Fehlern in Java:
File file = new File(filePath); // Erstellt ein File-Objekt
Scanner scanner = new Scanner(file); // Öffnet die Datei zum Lesen
while (scanner.hasNextLine()) {
System.out.println(scanner.nextLine()); // Gibt die nächste Zeile aus
}
scanner.close(); // Schließt den Scanner
}
Hier ist die readFile
-Methode nicht dafür verantwortlich, den Fehler zu behandeln, wenn die Datei nicht gefunden wird. Die Methode könnte auch selbst den Fehler behandeln, ähnlich wie es in RPG der Fall ist, jedoch wirft sie die Exception weiter, damit der Fehler von einer anderen Methode behandelt werden kann. Dadurch entsteht mehr Flexibilität:
- Vorteile:
- Fehler können auf unterschiedlichen Ebenen behandelt werden, z. B. zentral in einer „Controller“-Schicht.
- Der Code bleibt modularer, da Methoden nicht mit überflüssiger Fehlerlogik überladen werden müssen.
- Java erlaubt es, verschiedene Arten von Fehlern gezielt zu behandeln, indem spezifische Exception-Klassen verwendet werden (
FileNotFoundException
,IOException
, etc.).
- Nachteile:
- Es ist oft mehr Aufwand erforderlich, da die Fehler entweder weitergegeben oder auf verschiedenen Ebenen behandelt werden müssen.
- Entwickler müssen sicherstellen, dass wichtige Fehler nicht unbehandelt bleiben.
Vergleich der Ansätze
- Direkte Behandlung des Errors (RPG): Einfach und lokal, aber weniger flexibel.
- Weitergeben der Exception (Java): Flexibler und modularer, ermöglicht zentralisierte Fehlerbehandlung.
Schlusswort
Die Wahl zwischen RPG und Java hängt stark von den Anforderungen und der jeweiligen Projektumgebung ab. RPG überzeugt durch seine enge Integration in die IBM i-Plattform und erlaubt durch den prozeduralen Ansatz eine schnelle, zielgerichtete Umsetzung – besonders bei klar umrissenen Aufgaben in etablierten Unternehmensprozessen.
Java hingegen punktet mit universeller Einsetzbarkeit, objektorientierten Prinzipien und einer hohen Wiederverwendbarkeit. Seine Flexibilität macht es ideal für modulare, skalierbare Systeme und moderne Softwarearchitekturen.
Die Unterschiede – von der Datenkapselung über die Codeorganisation bis zur Fehlerbehandlung – spiegeln unterschiedliche Philosophien wider, wie Softwareprobleme gelöst werden können. Während RPG auf Pragmatismus und Effizienz setzt, bietet Java ein breites Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten.
Am Ende schließen sich die beiden Ansätze nicht aus – sie ergänzen sich. RPG bleibt unschlagbar, wenn es um die robuste Verarbeitung von Daten und Geschäftslogik direkt auf IBM i geht. Java glänzt, wenn komplexe Anwendungen, APIs oder moderne Schnittstellen gefragt sind.
Ich selbst arbeite gern in beiden Welten – RPG und Java. Jede Sprache hat ihre Stärken, und genau das macht die Kombination so spannend. Wer sich auf beide Paradigmen einlässt, erweitert nicht nur sein technisches Repertoire, sondern schafft auch bessere, nachhaltigere Lösungen auf IBM i und darüber hinaus.
Dieser Artikel bietet einen kompakten Überblick über die Unterschiede zwischen RPG und Java und dient als Einstieg in die beiden Programmierwelten. Für eine tiefere Auseinandersetzung und weiterführende Informationen empfehlen wir die folgenden Ressourcen: